Ein Thema, welches wohl kaum wie ein anders die Gemüter bewegt, ist das Thema Gefälle bei Abdichtungen.Dabei werden vielfach die Aussagen recht emotional.Es bilden sich zwei Lager: die einen, die sagen, dass es ohne ein Gefälle bei Abdichtungen gar nicht gehen würde, während das andere Lager auch Ausführungen ohne eine explizite Gefälleausbildung als fachgerecht und möglich betrachtet.
Betrachten wir einmal kurz die wesentlichen Grundlagen.
In der Fachregel für Abdichtungen werden in der Planung, oder sollte man besser sagen “für die Planung”?, 2 % Gefälle gefordert. Wobei hier das modale Hilfverb “soll” verwendet wird, was insofern eine Einschränkung darstellt, als dass es kein “muss” bedeutet. Im Abschnitt 2.2 “Dachneigung, Gefälle” werden auch sofort im Klammersatz (2) Ausnahmen aufgezeigt, die eine Ausführung einer Abdichtung mit einem Gefälle von < 2% ermöglichen.
Schon jetzt wird deutlich, dass danach eine gefällelose Ausführung nicht automatisch einen Mangel generiert.
Begründbar ist das damit, dass eine anerkannte Regel der Technik (aRdT) nicht in Teilen fehlerhaft sein kann. Wäre sie das, wäre es keine aRdT mehr.
Was soll denn eine Gefällebildung überhaupt bewirken?
Dazu gibt der Klammersatz (1) gleich die Antwort: “für die Ableitung des Niederschlagswassers”.Es ist unstreitig und bekannt, dass durch Pfützenbildungen organische Ablagerungen in deren Randbereichen entstehen können. Durch wiederholtes Abtrocknen und Wiederauffeuchten verkrallen sich die Ablagerungen mit dem Untergrund und es kann – insbesondere bei Bitumenbahnen mit Beschieferung – zu dem sogenannten mud curling Effekt kommen. Dabei entstehen zunächst kleine Kerbrisse, die sich jedoch im Laufe der Zeit vergrößern und die Oberfläche der Bitumenbahnen beschädigen. Es entsteht der optische Eindruck einer Krokodilshaut.
Bei Kunststoffbahnen erfolgt dieser Prozess etwas langsamer, weil deren Oberflächen nach der Fertigstellung der Abdichtungen zunächst glatter sind als es bei den Bitumenbahnen der Fall ist. Bei Kunststoffbahnen kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu einer Rotalgenbildung, die sich schädigend auf die Abdichtung auswirken kann. Stark betroffene Bahnen erwecken an deren Oberfläche den Eindruck, als ob verwelktes Laub auf ihnen liegen würde. Die Oberfläche wir regelrecht abgeschmirgelt.
Warum sich bei einigen Abdichtungen Rotalgen bilden, während es bei gleicher Ausführung an anderen Orten keine Rotalgenbildung gibt, ist bisher noch nicht ausreichend erforscht.
Diese Art von Schäden können aber durch eine regelmäßge Wartung vermieden werden!
Als Mangel muss jedoch eine Ausführung eingestuft werden, bei der die Dachabläufe nicht an den Tiefpunkten geplant und angeordnet wurden. Das ist leider häufig bei Leichtbaukonstruktionen (z.B. Stahltrapezprofilen) der Fall. Aber auch Dachabläufe, die nicht in der Abdichtungsebene selber vertieft eingebaut wurden, zählen zu den mangelhaft ausgeführten Leistungen.
Um als Dachbauhandwerker auf der sicheren Seite zu sein, sollte vor der Ausführung von gefällelosen Abdichtungen der Besteller unbedingt über die möglichen Nachteile, die eine gefällelose Ausführung der Abdichtung für ihn bedeuten kann, nachweislich aufgeklärt werden. Der Besteller sollte dem Dachbauhandwerker gegenüber unmissverständlich bescheinigen, dass er die Nachteile kennt und verstanden hat.
Ein solches Vorgehen ist (persönliche Meinung des Autoren: leider) erforderlich, da es inzwischen Urteile von Gerichten gibt, bei denen eine gefällelose Ausführung der Abdichtung – hier von Dachterrassen – als Mangel eingestuft wurde, was zu der Neuerstellung geführt hat.
Dabei stützte sich das Urteil auf die persönliche Auffassung des Sachverständigen, der die Auffassung vertrat, dass eine gefällelose Ausbildung grundsätzlich einen Mangel darstellen würde. Dieses auch dann, wenn Kompensationsmaßnahmen, etwa die Erhöhung der Dicke der Abdichtungsbahnen, durchgeführt werden.
Wichtig ist es auch, dass vor Beginn der Ausführungen die Grundlagen, nach denen ausgeführt werden soll, vereinbart werden. Denn neben der Fachregel für Abdichtungen als anerkannte Regel der Technik, gibt es noch die DIN 18531, die sich aber gerade in dem Bereich der Gefällegebung u. a. durch die Anwendungsklassen K1 und K2 deutlich von der Fachregel unterscheidet.
Kommt es zu einem Rechtsstreit, so muss im Zweifel das Gericht und/oder der beauftragte Sachverständige Kenntnis davon haben, nach welchen Kriterien es/er die Abdichtung beurteilen muss.